
GESELLSCHAFT | von Annette Eni
Die Bedeutung des öffentlichen Raums
Der öffentliche Raum als spontaner Begegnungsort
Demokratie und soziale Teilhabe können nur gelingen, wenn wir öffentliche Räume neu entdecken und beleben, denn ohne funktionierende öffentliche Räume kann eine sozial durchlässige Gesellschaft nicht gelingen!
Die Bedeutung des öffentlichen Raums als Aufenthaltsort für die Bewohner:innen von Städten und Gemeinden wurde in der Pandemie noch einmal richtig deutlich, denn je nachdem, wie der Wohnort und das soziales Umfeld gestaltet waren, empfanden die Menschen die Pandemiemaßnahmen ganz unterschiedlich. Im „Memorandum Urbane Resilienz“, Ende 2021 von BWSB herausgegeben, wurde daher konstatiert, dass der schnelle Zugang zu Freiraum und sozialer Infrastruktur zur Daseinsvorsorge gehört und dass eine Steigerung der Aufenthaltsqualität unverzichtbar ist. Der öffentliche Raum muss daher als Ort für spontane Begegnungen sowie des Austausches und damit als Grundlage sozialer Teilhabe gestärkt werden.
Vereinsamung vs. Teilhabe
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat deshalb das Städtebauförderprogramm "Sozialer Zusammenhalt" aufgelegt. Darin heißt es, "Das Städtebauförderungsprogramm Sozialer Zusammenhalt ist ein wichtiger Bestandteil der Stadtentwicklungspolitik des Bundes. Es richtet seine Aufmerksamkeit auf die Stabilisierung und Aufwertung städtebaulich, wirtschaftlich und sozial benachteiligter und strukturschwacher Stadt- und Ortsteile. Städtebauliche Investitionen in das Wohnumfeld, in die Infrastrukturausstattung und in die Qualität des Wohnens sorgen für mehr Generationengerechtigkeit sowie Familienfreundlichkeit im Quartier und verbessern die Chancen der dort Lebenden auf gesellschaftliche Teilhabe und Integration. Ziel ist es vor allem, lebendige Nachbarschaften zu befördern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken."
Rund 200 Millionen Euro wendet der Bund jährlich dafür auf, und auch der Bezirk Steglitz-Zehlendorf erhält Mittel aus diesem Programm. Diese fließen jedoch hauptsächlich in den "strukturschwachen" Kiez Thermometersiedlung. Das ist sicherlich auch gut so, aber wie auf unserem Nachbarschaftsfest im Mai sehr deutlich wurde, auch die Menschen in unserem Kiez haben unter den Folgen der Pandemiemaßnahmen sehr gelitten und die Vereinsamung hat seitdem stark zugenommen.
Denn was auch hier fehlt, ist ein Ort der Begegnung. Ein Treffpunkt, wo man sich Abends vielleicht einmal auf eine Runde Boule oder Schach trifft, wo Tischtennisplatten zum Spielen einladen oder wo einfach Bänke und Tische stehen, an die man sich zum gemeinsamen Essen setzen kann.

Der Marienplatz - ein Gartendenkmal
Nichts im Kiez würde sich als Begegnungsstätte besser eignen als der Marienplatz. Doch dieser steht unter Gartendenkmalschutz und die Aussicht auf eine Genehmigung für die Austragung eines Nachbarschaftsfestes wurde uns seitens des Straßen- und Grünflächenamtes gleich zu Beginn unserer Vorbereitungen genommen.
Einst hatten die deutschen Kaiser und Könige, wie Friedrich Wilhelm der IV, Stadtparks und Stadtplätze zur Erholung der Bürger geschaffen, denn sie hatten schon damals klar erkannt, dass zur Gesunderhaltung der Stadtbevölkerung Naherholungsflächen von Nöten sind.
Warum schützen wir also einen schönen Naherholungsplatz im Sinne der Denkmalpflege, anstatt ihn als Ort der Begegnung zu begreifen und auch tatsächlich zu nutzen?
Hinzu kommt, dass sich der Marienplatz meist in einem grauenvollen Zustand befindet und alles andere als gepflegt wirkt. Auch hinsichtlich Klimaanpassung oder Biodiversiät finden hier keine Maßnahmen statt. Das ist insgesamt sehr schade und wäre ein weiterer guter Ansatzpunkt für eine Veränderung.