GESELLSCHAFT

Vorbereitung zum "Tag der Nachbarschaft"

Der Hürdenlauf beim zivilgesellschaftlichen Engagement


Das Fest der Nachbarn – European Neighbours' Day – findet jedes Jahr Ende Mai statt. Europaweit werden an diesem Tag und um diesen Tag herum von verschiedenen Organisationen und privaten Initiativen Nachbarschaftsfeste organisiert. Die Idee dahinter ist, nachbarschaftliche Solidarität zu unterstützen, ein besseres Zusammenleben zu fördern und damit unter anderem dem Vereinsamungstrend unserer modernen Zivilgesellschaft etwas entgegenzusetzen.


Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin ruft über die Senatskanzlei die Bürger:innen der Stadt dazu auf, in geselliger Atmosphäre gemeinsam mit Millionen anderen Europäerinnen und Europäern ein Fest der Solidarität und Vielfalt in einem friedlichen Europa zu feiern. Doch was passiert, wenn man diesem Aufruf folgt und ein Nachbarschaftsfest organisieren möchte?

Bild: Amac Garbe / nebenan.de Stiftung

Wir von Zukunftslust fanden die Idee, sich dem europäischen Gedanken anzuschließen und ein Nachbarschaftsfest zu feiern, beim Stammtisch Ende März toll und beschlossen, ein Fest im Kiez zu organisieren.


Motiviert, voller Stolz und sehr unbedarft teilten wir unseren Entschluss, ein Fest auf dem Marienplatz organisieren zu wollen, sofort der Bezirksverwaltung mit, in der Annahme, dass diese sich freut und das Vorhaben unterstützt.


Weit gefehlt. Ein Gesprächstermin könne aufgrund von Urlaub und der ganzen Feiertage erst am 20. Mai stattfinden. -Ja, dass sei für das Nachbarschaftsfest dann natürlich zu spät ...

Es erfolgte auch kein Hinweis, wie wir die Sache angehen sollten oder an wen wir uns sonst wenden könnten, lediglich die Information, dass der Marienplatz ein Gartendenkmal und deshalb für Festivitäten nicht geeignet ist, ließ man uns wissen.

Alternative: Gärtnerstraße


Gut, dachten wir uns, wenn das schützenswerte Gartendenkmal Marienplatz als Austragungsort erfällt, dann veranstalten wir unser Nachbarschaftsfest halt auf der Gärtnerstraße und lassen diese auf einem Teilstück dafür sperren. –Es lebe der Gedanke und die Nachbarschaft.


Wer nun glaubt, dass die Bezirksvertreter in die Hände klatschen und alles für die Unterstützung des Engagements tun, der irrt. Nach einigen Telefonaten stand fest: Wenn wir ein Nachbarschaftsfest feiern wollen, dann sind wir "Veranstalter" und als solcher müssen wir eine Genehmigung beim Straßenverkehrsamt beantragen und die Veranstaltung durch eine Veranstaltungsversicherung absichern, -auch wenn es sich um eine "spontane" Zusammenkunft von Kiezbewohnern im Sinne eines Flashmob-Dinners handelt.


Eine Straßensprerrung müsste ebenfalls beantragt und über ein dafür spezialisiertes, privatwirtschaftliches Unternehmen in Auftrag gegeben werden. Kostenpunkt 1.000 Euro.


Da Zukunftslust bisher ein lockerer Zusammenschluss von Nachbarn ist und noch über keinen Rechtsmantel, geschweige denn über finanzielle Mittel verfügt, bin nun ich, als Privatperson, Veranstalter, Versicherungsnehmer und Kostenträger. –Es lebe das ehrenamtliche Engagement.


Da die Straßensperrung den Kostenrahmen sprengt, haben wir die Veranstaltungsidee weiter eingedampft und beschränken uns nun auf den breiten Mittelstreifen der Gärtnerstraße als Raum für das Nachbarschaftsfest. Das ist zwar ein bisschen schade, aber die Versicherung ist abgeschlossen und bezahlt, und "lediglich" die Genehmigung seitens des Straßenverkehrsamtes steht noch aus. Wir hoffen sehr, dass diese am Ende des Tages auch erteilt wird, denn schließlich mussten wir mit der Ankündigung und Werbung für das Fest, rund drei Wochen vor dem Termin, beginnen.

Welche Aufgabe hat eigentlich der Staat?

Seit Jahren wird über Politikverdrossenheit philosophiert, über Protestwähler gerätselt, Behördenfrust eigenstanden und Bürokratieabbau gefordert. Anhand eines simplen Nachbarschaftsfestes, wird eines deutlich: wer etwas bewegen will, der muss eine gehörige Portion Willen mitbringen und den Mut zur Durchsetzung haben.


Ich stelle mir in diesem Zusammenhang die Frage, wem gehört eigentlich die Straße? Dem Staat? Nein, dem Bürger! Der Staat hat lediglich eine verwaltende Aufgabe. Streng genommen ist er ein Service-/Dienstleistungsunternehmen, welches vom Bürger beauftragt bzw. gewählt wurde.


Wie kann Staat also einerseits die Bürger:innen dazu aufrufen, sich zu Engagieren und Nachbarschaftsfeste zu organisieren, und andererseits dann verlangen, sich um die Genehmigungen und die Kosten selbst zu kümmern?


Ich denke, wenn Staat Ehrenamt und Engagement fordert, dann muss er dieses auch fördern, indem er für die Bereitstellung von Raum (in diesem Fall die Straßensperrung) sorgt. Denn hätten wir zu einer Demonstration aufgrufen, dann hätte der Staat die Kosten für die Absperrung und Sicherung übernommen. –Wie schizophren ist das eigentlich?


Nun wollen wir hoffen, dass das Flashmob-Dinner so durchgeht und wir nicht noch irgendwelche Auflagen erfüllen müssen. Allein die Tatsache, dass man sich sämtliche Vorschriften selbständig erarbeiten muss, widerspricht dem Service-/Dienstleistungansatz komplett und ich denke, dass hier eine Änderung im Mindset dringend angezeigt ist.

In rund drei Wochen ist es dann soweit

Wir lassen uns aber die Laune trotz alledem nicht vermiesen und hoffen, auf gutes Wetter und viele fröhliche Nachbarn, die vielleicht auch einen Beitrag zum Gelingen unseres Festes leisten wollen.


In diesem Zusammenhang suchen wir noch:


• Biertischgarnituren, damit wir nicht jeder Tisch und Stuhl mitbringen muss.

• 2-4 Standgrills, damit wir gemeinschaftlich Grillen können.

• Musiker, die ohne viel technisches Equipment für eine musikalische Untermalung sorgen.

• Kleinkünstler, wie Hobby-Zauberer, Clowns, o.ä., die Lust haben eine kleine Showeinlage zu machen.

• Hilfskräfte, die z.B. im Vorfeld beim Reinigen des Mittelstreifens und dem Aufbau helfen.

• Ideen, wie wir unser Fest noch schöner machen können.


Ideen und Angebote richtet bitte einfach per Email an: hallo@zukunftslust.berlin


Weitere Informationen und den (bisherigen) Ablauf findet ihr auf unserer Aktionsseite.


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