
WASSER & BIODIVERSITÄT | von Ute Stumm
Hat es jetzt genug geregnet?
Ein ziemlich nasser Sommer in Berlin und eine unerwartete Antwort
„Jetzt hat es aber genug geregnet“, sagte eine Nachbarin neulich zu mir. Ein zartes „Oder?“ kam noch hinterher. –Hat es denn nun wirklich genug geregnet? Und wie kann man das überhaupt wissen? Das Pflanzenschutzamt Berlin hat für uns Gärtner schon vor Jahren eine Entscheidungshilfe etabliert:

Muss man gießen oder nicht?
Am Standort Tempelhofer Weg in Berlin-Neukölln werden die Daten für die Bewässerungsempfehlung für Stadtbäume erfasst. Dazu wurden dort gepflanzte Winterlinden verkabelt und Sensoren messen die pflanzenverfügbare Bodenfeuchte bis in eine Tiefe von 85 cm.
Jede Baumart erzeugt ihren eigenen Saugdruck, der das Wasser in die Pflanze zieht. Ab einer gewissen Grenze kann der Baum die Feuchtigkeit nicht mehr aus dem Boden aufnehmen – hier ist die Grenze des pflanzenverfügbaren Wassers erreicht.
Seit 2018 wird dort nun ganzjährig aufgezeichnet. Die Daten können tagesaktuell in Form eines Diagramms abgelesen werden – und wir wissen, wie viel Wasser unseren Bäumen zur Verfügung steht.
Auf der Seite Bewässerungsempfehlung für Stadtbäume bekommt man ein gutes Bild davon, wie nass die letzten Sommer, und vor allem die Frühjahre so waren. Oder eher: wie extrem trocken.
Wir können also aus diesem Diagramm, dem ein Ampelsystem hinterlegt wurde, mit nur einem Blick entnehmen, ob es genug geregnet hat oder nicht.
In dieser Saison haben wir im Verlauf des Julis einmal ganz kurz den grünen Rand des Diagramms erreicht – sind aber schon wieder auf Talfahrt. Die Antwort lautet also: Nein, es hat nicht genug geregnet.
Bodenfeuchte am Beispielstandort Tempelhofer Weg in Berlin-Neukölln
Diagramm der Bodenfeuchte in %nFK bis in eine Tiefe von 85 cm
Die Grafik ist nach dem Ampelsystem recht einfach nachvollziehbar aufgebaut. Das Kurvenende zeigt jeweils die aktuell prognostizierte nFK an. Solange die Kurve auf der Y-Achse im grünen Bereich ist, ist der Boden ausreichend mit Wasser versorgt. Fällt sie in den gelben Bereich kommt der Feuchtevorrat im Boden in den kritischen Bereich. Sobald die Kurve in den roten Bereich absinkt, wäre eine zusätzliche Wassergabe in Abhängigkeit der Pflanzenart und -größe sinnvoll.
Aber warum verschwindet das Wasser so schnell?
Dafür sind wie immer mehrere Faktoren verantwortlich:
1. Das Wetter
Bei heißen Temperaturen verdunstet viel Wasser und gleichzeitig brauchen die Pflanzen dann mehr Wasser, genau wie alle anderen Lebewesen. Im Frühling kam es sogar zu einer Wasserkrise bei den Wildtieren in Berlin: Eichhörnchen fielen erschöpft von den Bäumen, erinnert ihr euch?
Jetzt stellen wir uns einen Tag mit 29 °C und frischem Wind vor. Für uns angenehm, aber für die Pflanzen bedeutet das puren Stress. Pflanzen betreiben zur Ernährung Photosynthese. Dafür benötigen sie CO₂, das sie über Spaltöffnungen in den Blättern aufnehmen, quasi wie geöffnete Fenster. Das Problem ist jedoch, bei Trockenheit können sie diese Öffnungen nicht vollständig schließen. Weht nun der Wind dauerhaft bei hohen Temperaturen, entweicht über die Blätter ständig Wasser. Und das kann im Sommer nicht mehr nachkommen, also Pflanzenstress pur.
2. Der Wasserverbrauch der Pflanzen
Ein oft unterschätzter Faktor ist also die Verdunstung. Ein belaubter Baum verbraucht je nach Größe und Alter von April bis November enorm viel Wasser. So kann an einem sonnigen Tag im Sommer eine 150-jährige Buche schon mal bis zu 400 Liter Wasser verdunsten, sprich "verbrauchen."
Diese Verdunstung sorgt an heißen Tagen aber auch für eine Abkühlung des Stadtklimas, weshalb es so wichtig ist, dass wir möglichst viele neue Bäume pflanzen und die vorhandenen Bestände erhalten, damit wir dem immer wärmer werdenden Klima etwas entgegensetzen können.
3. Der Berliner Boden
Der Sandanteil im Berliner Boden ist sehr hoch, so dass das Wasserspeichervermögen eher gering ausfällt. Die Böden trocknen zudem schnell ab und somit auch schnell aus. Für viele Pflanzen ist das extrem nachteilig.
Im Sommer kann es daher eigentlich gar nicht genug regnen!
Auch wenn ich euch jetzt zustimme, ein bisschen mehr Sommer wäre trotzdem schön. Ein Vorteil der anhaltenden Schauer ist jedoch die Belebung der Krautschicht. Also der Wiesen unter den Bäumen, in Parks, dem Straßenbegleitgrün und in euren Gärten.
Wer hier jedoch genau hinsieht, entdeckt dort leider auch die Hybrid-Luzerne, eine Pflanze, die mit trockenen, nährstoffarmen Bedingungen bestens zurecht kommt, aber zunehmend zur Bedrohung für die Artenvielfalt wird, denn sie verdrängt heimische Arten massiv. Wer hierzu mehr wissen möchte, dem empfehle ich diesen tollen Beitrag vom Botanischen Garten.
© Botanischer Garten Berlin, Foto: Thomas Borsch Berlin - Hybrid-Luzerne